100 Jahre FC Phönix Schleißheim

Der FC Phönix hat eine erfolgreiche Mannschaft von elf Freunden in der Fußball-Bezirksliga am Start, in der Jugend findet jedes Alter ein angemessenes und förderndes Training, eine Damenmannschaft ist aktiv und wird aus Mädchenteams unterschiedlichen Alters unterfüttert, ältere Semester oder nicht kickende Eltern von Jugendspielern treiben situationsbezogen Freizeitsport oder unternehmen gemeinsam etwas, Treffpunkt für alle ist das einladende Vereinsheim, das einem finanziell soliden Verein gehört. Mindestens beim Blick auf die aktuelle Tabelle der Fußball-Kreisklasse wird klar: Dieses Idealbild ist nicht ganz die Beschreibung des Fußballclubs 2019 – es ist die Vision des „Phönix 2030“.

Zu seinem 100. Geburtstag heuer hat der FC Phönix Schleißheim eine bemerkenswerte Doppelstrategie gefahren: Mit der umfassendsten Historiendarstellung der Vereinsgeschichte wurde auf die 100 Jahre Fußball in Oberschleißheim zurückgeblickt – und mit dem Arbeitskreis „Phönix 2030“ ein Leitbild für die nahe Zukunft entwickelt.

Auf vier Säulen fuße der Verein, führt der Vorsitzende Helmut Beck Rückschau und Ausblick zusammen: „Auf der Förderung des Fußballspiels als Breitensport, der Pflege der Geselligkeit im Verein, der sozialen Verantwortung in unserer Gemeinde und der finanziellen Solidität“. Wenn man sich weiter daran ausrichte, könne der FC Phönix „auch in Zukunft der kleine, aber feine und liebenswerte Verein bleiben, der er für viele seiner Mitglieder immer war“.

Der Fußball war noch eine neue und exotische Sportart, als die ersten Kicker in Oberschleißheim die Wiesen im Dorf unsicher machten. Die Brüder Max und Josef Kellner, Fußballer in München beim FC Bayern, sollen um 1910 das Spiel in Schleißheim eingeführt haben. Bis zum Beginn des Großen Kriegs 1914 blieb das Kicken allerdings auf das Freizeitvergnügen moderner Enthusiasten beschränkt.

Nach dem Krieg aber wurde Fußball immer populärer. Unter Ägide von Josef Kellner – Bruder Max war im Krieg gefallen – wurde ein Spielbetrieb aufgebaut. 1912 war ein Turnverein in Schleißheim gegründet worden mit dem Vereinszweck, „das Turn- und Sportwesen zu fördern, den Geist und Körper zu kräftigen und gute Sitten zu pflegen.“ Dem wollten sich die Fußballer anschließen. Am 4. August 1919 genehmigte bei einer Sitzung im „Blauen Karpfen“ der TV die Gründung einer „Fußballabteilung des Turnvereins Schleißheim“.

Das erste Spiel der Geschichte wurde gegen eine Mannschaft vom örtlichen Flugplatz mit 3:1 gewonnen. Als Spielkleidung des jungen Vereins wurde blaues Trikot mit weißer Hose festgeschrieben. 1920 wurde mit der Führung einer Chronik begonnen, die als einen der ersten Einträge vermerkt, dass man nach einem Jahr des Bestehens beschlossen habe, „der Abteilung den Namen Fußball Abteilung Phönix des T. u. Sp. Vereins Schleißheim e.V. zu geben.“

Das war die erste Nennung des „Phönix“ im Vereinsnamen – wie er da hinein kam, wurde nicht überliefert und in der Folgezeit nie mehr geklärt. Der Phönix ist ein über die griechische Mythologie tradiertes ägyptisches Fabelwesen, der am Ende seines Lebens verbrennt, um dann aus der Asche wieder neu zu erstehen; so gesehen eine dankbare Analogie für jeden Sportverein in den Zyklen von Aufstieg und Niedergang. In seinem Vorwort zur Chronik erinnert Vorsitzender Beck an den anno 19 gerade überstandenen Weltkrieg und interpretiert die Namenswahl: „Treffend drückt da die Namensgebung Wünsche und Hoffnungen aus: steht Phönix doch für etwas, das schon verloren geglaubt war, aber in neuem Glanz wieder erscheint“.

Die erste Wiederkehr des jungen FC Phönix aus der Asche war 1923 fällig, als sich die Fußballer von ihrem Mutterverein trennten. Die Hintergründe sind zwischen den Vereinschroniken umstritten. Die Tagebucheinträge des FC sprachen Anfang 1923 davon, dass der Vorstand des Stammvereins „infolge verschiedener Vorkommnisse die Fußballabteilung vernichten wollte“. In den Protokollen des TSV wiederum ist zu lesen, dass man „die Abtrennung nicht akzeptieren“ und die Fußballer behalten wolle.

Am 20. Februar 1923 wurde jedenfalls der „FC Phönix 1919 Schleißheim“ gegründet. Die Chronik nennt in der Folge „schwere Kämpfe mit dem Stammverein“. Bemerkenswert immerhin, dass sich der Verein trotz der momentanen erbitterten Konfrontation auch im neuen, eigenständigen Namen ausdrücklich auf die Gründung 1919 berief und mithin auf seine Wurzeln im Turnverein.

Das erste Problem bei der Gründung 1919 war gewesen, einen Ball zu erstehen. Nächste Aufgabe war es, einen Platz zu finden. Die sogenannte Graßl-Wiese war ab 1912 ein Sportplatz für alle Sportler im TV, auch die Fußballer kickten hier. Nach der formellen Abteilungsgründung nutzte der FC Phönix einen Fußballplatz, der auf dem aufgelassenen Flugplatz angelegt worden war. Nach Weltkriegsende und Demilitarisierung des Deutschen Reiches dämmerte der einstige Militärflugplatz einer ungewissen Zukunft entgegen, Raum für ein Fußballfeld war auf den üppigen Flächen allemal.

Nach der Etablierung als eigenständiger Verein 1923 schließlich erhielt der FC von der Gemeinde einen Spielplatz, wo sich heute Haselsberger- und Ludwig-Thoma-Straße kreuzen. Drei Jahre später sollte dort aber gebaut werden und so bekamen die Fußballer einen Ausweichplatz weit nördlich des Ortes – am Stichgartl. Von 1926 bis 2002 blieb dies die Heimat des FC Phönix.

 

Walter Tarin ist in einem Haus am Stichgartl aufgewachsen, wenn er aus dem Haus ging, stand er quasi am Fußballplatz. Mit 10 Jahren spielte er beim FC Phönix mit – und mit 69 hat er aufgehört. Als eleganter Mittelfeldregisseur – „gutes Auge, gute Pässe, gute Kondition“, erinnert er sich schmunzelnd – hatte er stets Angebote von anderen Klubs, ist aber lebenslang dem FC Phönix treu geblieben. „Die Bindung zum Verein war immer da“, sagt er, „ich bin da eben sehr bodenständig“.

 

In der Saison 1960/61 sah er als Kind, wie sein Verein den größten Erfolg der Historie erreichte, den Aufstieg in die damals zweithöchste Amateurliga des Landes. Als Tarin aus der Jugend entwuchs, spielte der FC Phönix in der Bezirksliga. „Da gehört der Verein auch hin“, findet er. In der Kreisklasse ist man davon momentan allerdings weit entfernt, „aber mit unserer Jugendarbeit und dem intakten Vereinsleben sind wir auf einem guten Weg“, findet er.

 

Tarin ist das Musterbeispiel für dieses Vereinsleben. Schon als Kapitän der Ersten Mannschaft gab er bei der Weihnachtsfeier den Nikolaus, 25 Jahre lang dann übrigens. Bis zur „Grabsteinliga“, der Ü60, spielte er beim FC Phönix, amtierte als Zweiter Vorsitzender, AH-Leiter, Pressewart und acht Jahre als Vorsitzender. Beim Ortsentwicklungskonzept der Gemeinde vertrat er die Vereine und baute seitdem zusammen mit dem damaligen TSV-Vorsitzenden Emil Köbele den Vereinsstammtisch auf. Die Zukunftsrunde „Phönix 2030“ hat er moderiert, den Festausschuss zur 100-Jahr-Feier geleitet.

 

Der 70jährige war Volksschullehrer, auch für Sport, und unterrichtete vorwiegend an Münchner Hauptschulen. Er hat vier Kinder und sechs Enkel. Längst ist er Ehrenvorstand des Vereins. Eine weitere epochale Zäsur in der Historie – wieder einmal eine Rückkehr aus der Asche – hat Tarin auch maßgeblich begleitet: Den Abschied vom Stichgartl nach 76 Jahren und den Umzug auf die neue Fußballanlage zwischen Schloss und Flugwerft.

 

Die Gemeinde wollte – oder musste aus finanzieller Not – Ende der 1990er Jahre das Stichgartl als Baugrund versilbern. In einer Task Force, der Tarin angehörte und die heute im FC Phönix Legendenstatus hat, wurde der Neuaufbau des Vereins mit neuen Plätzen und einem neuen eigenen Vereinsheim abgewickelt.

Obwohl er selbst am Stichgartl aufgewachsen ist und dort fast 50 Jahre gespielt hat, hat Tarin den Neuanfang emotionslos forciert. „Es war eine dringende Notwendigkeit für den Verein“, betont er. Die beengte Lage am Stichgartl, die das Vereinsleben schon damals auf mehrere Ausweichplätze zersplitterte, hätte den Club zerstört, ist er überzeugt: „So war das die einzige Möglichkeit.“

 

Heute nun steht der FC Phönix mit 16 Mannschaften im Spielbetrieb, davon ein Damenteam und 10 Jugendmannschaften. Jährlich gehört der Verein zu den Ausrichtern des Volksfestes, beteiligt sich am Gemeindeferienprogramm und diversen anderen Aktionen im Ortsgeschehen, veranstaltet selbst Feste, am 10. August etwa wieder ein „Fränkisches Weinfest“.

 

Der 100. Geburtstag wird bei einem Festwochenende vom 12. bis 14. Juli mit viel Fußballspielen und -turnieren gefeiert, einem Festabend am Freitag, einem Sommerfest am Samstag und einem Frühschoppen am Sonntag. Vorgeschaltet ist eine Open-Air-Party am Vereinsgelände am Samstag, 29. Juni, und ein großes Schülerturnier am Samstag, 6. Juli.

 

Ein Autorenteam um Helmut Beck und Walter Tarin hat zudem unter dem Titel „Geschichte und Geschichten rund um den FC Phönix Schleißheim“ die umfassendste Vereinshistorie aufgelegt, die in diesen 100 Jahren entstanden ist. Das 160seitige Werk mit vielen Anekdoten, Erinnerungen und alten Bildern ist unter anderem im Tourismusbüro erhältlich.