Der Götterhimmel über dem Festsaal im Schloss Lustheim, wo Jupiter Diana zur Göttin der Jagd erhebt, wird durch gemalte Scheinarchitektur noch optisch angehoben. Tatsächlich ist, wie bei derartiger Illusionsmalerei üblich, das gesamte Deckengemälde auf einer relativ flachen Decke aufgebracht; in Lustheim allerdings auf einem so übersteigert flachen Muldengewölbe – dass sie baustatisch eigentlich gar nicht halten dürfte. Und obwohl diese Konstruktion am Rande der Wahrscheinlichkeit nun schon über 300 Jahre trägt, wollte die Staatliche Schlösserverwaltung nicht noch auf weitere Jahre vertrauen. Mit einer bisher einzigartigen Stützkonstruktion wurde die Saaldecke zukunftsfest gemacht. Das mit nur einer Ziegelstärke gemauerte Gewölbe ist in Querrichtung über elf Meter Spannweite leicht gewölbt, aber in Längsrichtung, wo es den Festsaal im Schloss Lustheim 18 Meter weit überspannt, nahezu eben, über die Jahrhunderte eher sogar minimal nach unten gesackt. Offenbar fiel schon den Bauleuten anno 1684/85 auf, dass eine derart flache Ziegelmauerung nicht halten kann. Denn das 16 Zentimeter, eine Ziegelbreite, dicke Gewölbe wurde schon bei der Erstellung mit schmiedeeisernen Stäben an einer kräftigen Holzkonstruktion aufgehängt, die wiederum über einige konstruktive Umwege mit dem Dachstuhl in Verbindung steht. Die vertrackte Konstruktion erklärt sich rückblickend wohl aus dem übersteigerten Gestaltungswillen der Zeit, wo sich schlicht alles dem Willen des Herrschers zu unterwerfen hatte, auch die Gesetze der Statik. Und weil die Fassade nach italienischem Vorbild und aktueller Mode zwischen den Fenstern und der Dachtraufe nicht zu hoch werden durfte, war kein Raum für ein steileres Gewölbe – die technischen Details mussten da hintanstehen. Je flacher die Decke, desto größer waren auch die künstlerischen Spielräume für die Bemalung, und um diese gestalterischen Prämissen zu erfüllen, kam es wohl zu der kuriosen Mischkonstruktion aus statischem Gewölbedruck und Aufhängung zur Stabilisierung der Decke.D
Mauerwerk überlastet
Während diese Lösung ihren Zweck erfüllt hat, indem sie zu Lebzeiten des herrschenden Fürsten überdauerte, hat über die Epochen nun der Substanzverlust an den tragenden Balken weiter zur Destabilisierung beigetragen. Die 80 Zentimeter dicken Sägezahnbalken der Tragekonstruktion sind zwar durch Fäulnis nur geringfügig abgesackt, aber das Mauerwerk wurde wegen der Sensibilität des Konstrukts überlastet und stellenweise schon rissig. Auch auf der Unterseite, im Deckenfresko, zeigten sich permanent feine Risse. „Auf lange Sicht haben wir der Konstruktion nicht mehr zugetraut, sicher tragen zu können“, bilanziert Christoph Straßer, zuständiger Baureferent der Schlösserverwaltung die Einschätzung nach einer Routineüberprüfung 2014. Unzweifelhafter Fakt war zwar, dass die Decke seit 1685 hielt – aber ebenso unzweifelhaft schien es den Fachleuten anno 2014, dass ihr das mit den heute angelegten Sicherheitsmaßstäben auf längere Sicht nicht mehr zu – zutrauen sei. „Einen Grenzfall“ nennt Straßer die Stabilität der Konstruktion. Die Komplexität des Tragekonstrukts stellte die Sanierer nun vor die Aufgabe, diesen Extremanforderungen gerecht zu werden. Eine alternative Tragekonstruktion einzubringen, hätte die Gefahr bedeutet, dass der Verlust
des Drucks das 330 Jahre lang austarierte Spiel der Kräfte zerstört hätte und die Decke, überspitzt gezeichnet, nach oben gewippt wäre, was zu Bruch und Einsturz hätte führen können. Am Neuen Schloss wurden Dachkonstruktionen schon seit Jahren immer wieder repariert – aber mit ungleich geringerem Aufwand. Dort waren völlig andere Tragekonstruktionen gewählt worden, keine gemauerten Gewölbe aufgehängt. Hier hatte es stets der Austausch maroder Holzbalken getan.
Nach statischen Rechenmodellen am PC kamen die Schlösserverwaltung und das Staatliche Bauamt Freising, das die Projektleitung hatte, auf eine absolut maßgeschneiderte „Lustheimer Lösung„. Zwei gekreuzte Stahlträgerpaare wurden über das Deckengewölbe eingeschoben und mit dem Tragewerk so verbunden, dass sie gerade mal Kontakt haben, aber noch keine Lasten übernehmen. Die neuen Träger sind quasi auf „stand by“, so der Gedanke der Hilfskonstruktion, und übernehmen ab jetzt jede neue Verschiebung im Druckgefüge. In das 330 Jahre stabile Zusammenspiel der Schwerkraft, Druck- und Zugkräfte wird so nicht eingegriffen, aber jede neue Veränderung ohne Rückwirkung auf das bewährte System aufgefangen.
Millimeterarbeit mit Stahlträgern
Der zweite, nicht minder spektakuläre Schritt war nun die Umsetzung dieses Plans, eine diffizile Millimeterarbeit mit tonnenschweren Stahlträgern an einer Holz- und Ziegelkonstruktion, deren Spannungsverhältnisse schon überreizt sind. Auf Gerüsten wurden die bis zu zwölf Meter langen Stahlträger zunächst in die absolute Waagerechte gebracht und dann über kleine Öffnungen an der Traufe liegend in den Luftraum des Daches über der Saaldecke auf Rollen eingeschoben. „Mit äußerster Sorgfalt“ habe man vorgehen müssen, schildert Straßer, die Anbindungen an die historischen Träger genau im richtigen Spannungsverhältnis seien „mit Gefühl“ angeschraubt worden. Auch die Ziegelrippen im Randbereich, auf die zu hohe Kraft aus dem Mittelbereich
des Deckengewölbes gewirkt hatte, mussten an die „stand by“-Konstruktion angebracht werden, hier wurden in das sensible Material viermal jeweils vier Löcher zur Befestigung gebohrt. Von oben hat ein Statiker die Einbauarbeiten überwacht, von unten ein Restaurator mögliche Auswirkungen auf das Fresko.
Die unmittelbar auf dünnen Putzlagen aufgetragenen Malschichten waren unter Lagen von Japanpapier mit Stempelplatten auf einem Alugerüst abgestützt gewesen. Bei der winzigsten kritischen Veränderung „oben“ oder „unten“ hätte das Projekt sofort gestoppt werden müssen – und dann Ende offen. „Letzlich gab es keine Schäden“, bilanziert Straßer den Einbau. Das Sicherheitsgerüst, das über Monate im Festsaal zum Schutz der Besucher wie des Freskos angebracht war, konnte mittlerweile wieder entfernt werden, die Wandgemälde und Porzellanobjekte der Sammlung Ernst Schneider wieder an ihren angestammten Platz zurückkehren.
Das Deckenfresko, dem von der Schlösserverwaltung grundsätzlich „ein vergleichsweise sehr guter Zustand“ attestiert wird, habe die Arbeiten bestens überstanden, heisst es. Das Deckenbild mit der Erhebung Dianas zur Göttin der Jagd wurde um1689 von Francesco Rosa und Antonio Bernardi gemalt. Die Fresken in Schloss Lustheim mit Szenen aus der Mythologie der Jagdgöttin waren der erste zusammenhängende Zyklus von Deckenmalerei in Bayern und sind der einzige dieser Zeit, der sich erhalten hat. Und das längerfristig nun mit höherer Wahrscheinlichkeit.