Schloss Schleißheim war noch während seiner Erbauung quasi überflüssig geworden. Konzipiert dereinst zur Prachtentfaltung einer potentiellen Kaiser-Dynastie, war nach den politischen und militärischen Niederlagen seines Schöpfers Max Emanuel diese Ambition faktisch erloschen; das Schloss wurde denn auch nie vollendet. Einem großen Moment bot es freilich noch zu Lebzeiten Max Emanuels die Bühne: Die Vermählung des Kurprinzen Karl Albrecht mit Maria Amalia 1722 in Wien wurde mit Festwochen in Bayern gefeiert, die mehrere Tage auch in Schleißheim angesiedelt waren.
Als ältester noch lebender Sohn Max Emanuels – vier früher geborene Brüder und Halbbrüder waren als Säuglinge oder Kinder gestorben – war der Kurprinz in jedem Fall der künftige Kurfürst Bayerns. Mit einer günstigen Heirat und eventuell chancenreichen politischen Konstellationen würden sich freilich weitergehende Optionen eröffnen können…
Max
Emanuel, der selbst mit seinem jungen Ruhm als Türken-Bezwinger vor Wien 1685
die Kaisertochter Maria Antonia aus dem Hause Habsburg heiraten konnte, hatte
damit die Vision verbunden, die Habsburger dereinst zu beerben und das Haus
Wittelsbach so an die Spitze der europäischen Dynastien zu führen.
Sein Sohn Joseph Ferdinand Leopold wäre als Enkel des Habsburger Kaisers Leopold I. ein legitimer Erbe des Throns gewesen, allerdings verstarb er 1699 siebenjährig. Und Maria Antonia war bereits tot, so dass es keine Nachkommen Max Emanuels in der Habsburger Linie mehr geben konnte.
Bei den folgenden Erbstreitigkeiten stellte Max Emanuel sein bayerisches Kurfürstentum dann gegen den Kaiser, seinen ehemaligen Schwiegervater, und focht an der Seite Frankreichs. Nach militärischen Niederlagen bis 1704 verlor er Bayern, das er erst 1714 wieder erhielt und 1715 wieder betrat.
Mit
der Heirat des nunmehrigen Kurprinzen Karl Albrecht aus Max Emanuels zweiter
Ehe versuchte der Kurfürst, sich nun wieder den benachbarten Habsburgern
anzunähern und bemühte sich daher um eine Partie aus Wien.
Dort zeichnete sich ab, dass der regierende Kaiser Karl VI. ohne männlichen Erben bleiben würde. Der Kaiser agitiere gerade an allen europäischen Höfen für eine Anerkennung seiner „Pragmatischen Sanktion“, die unter anderem auch die weibliche Erbfolge im Haus Habsburg zuließ.
Angesichts der damit zu erwartenden Unwägbarkeiten im Erbfall schadeten im dynastischen Rennen weitere Argumente nicht. Folglich fiel Max Emanuels Wahl als Gemahlin des Kurprinzen auf Maria Josepha, die älteste Tochter des verstorbenen Kaisers Joseph I., Bruder des jetzt regierenden Karl VI.
Bliebe Karl VI. – wie schon der verstorbene Joseph I. – ohne männlichen Erben, wäre ein Argumentationsmuster, dass die Tochter des Älteren zum Zuge käme, nämlich Maria Josepha. Allerdings setzte sich im diplomatischen Ringen um diese Partie Kurfürst August von Sachsen durch, der seinen Sohn mit der ältesten Kaiser-Nichte vermählte.
Für Bayern blieb die jüngere Schwester, Maria Amalia. Mit 16 Jahren hatte sie den um vier Jahre älteren bayerischen Kurprinzen kennengelernt, als der am Wiener Hof seine Aufwartung machte. Als Bedingung für die Vermählung diktierte Wien, dass die Wittelsbacher auf jegliche Erbansprüche an Habsburg aus dieser Verbindung verzichten würden; ein Papier, das im Ernstfall getrost vergessen würde…
Die
Trauung fand am 5. Oktober 1722 in Wien statt. Am 12. Oktober wurde die Braut
im bayerischen Altötting feierlich ihrer neuen Heimat übergeben. Der Kurfürst
hatte zur Feier der Hochzeit mehrwöchige Festivitäten angesetzt, quasi ein
frühes „Oktoberfest“, wie es sich später aus den Hochzeitsfeierlichkeiten des
Kronprinzen Ludwig im 19. Jahrhundert entwickelte.
Am 17. Oktober, einem Samstag, zog das frisch vermählte Paar unter einem 22 Meter breiten Triumphbogen, den Cosmas Damian Asam gestaltet hatte, in der Residenzstadt München ein. Es wurde ein Festmahl im Kaisersaal der Residenz zelebriert.
Am Sonntag, 18. Oktober, folgte ein feierlicher Festgottesdienst in der Hofkapelle. Anschließend wurde die eigens zu dem Anlass komponierte Oper „Adelaide“ von Pietro Torri gegeben und anschließend öffentlich diniert. Der Montag begann erneut mit einem Gottesdienst, dann wurde der Braut und den Festgästen Schatzkammer und Antiquarium der Residenz gezeigt. Den Tag beschloss ein gigantisches Feuerwerk.
Zum Gesamtpaket des Festes gehörte die Erstellung einer detaillierten Beschreibung für die Nachgeborenen, mit der Max Emanuel seinen Beichtvater beauftragt hatte, den Augustinerpater Pierre de Bretagne. Zweck des Werkes war die rühmende Darstellung von Geschmack, Reichtum und Kunstsinnigkeit des Hofes, so dass neben den Festivitäten auch reichlich die Pretiosen des Fürstenhauses beschrieben sind.