Zum Geburtstag gab’s ein auffälliges Geschenk.
Rechtzeitig zum zehnjährigen Bestehen des Brauerei-Gasthauses Lohhof wurde ein Wintergarten an die Frontseite des Lokals angebaut. Der gläserne Vorbau wertet nicht nur die Optik erheblich auf, er verdoppelt mit 70 Sitzplätzen auch nahezu die Kapazitäten des Wirtshauses mit bisher 90 Plätzen.
Damit hat pünktlich zum Jubiläum die zehnjährige Rundumerneuerung des Traditionshauses einen vorläufigen Abschluss gefunden. Seit der einstige Bahnwirt vor zehn Jahren zum Flaggschiff der Haimhausener Schlossbrauerei erkoren wurde, wurde die Gaststube erneuert, die Fremdenzimmer modernisiert, ein eigener Hotelkomplex dazu gebaut, ein Biergarten erschlossen – und eben jetzt der Wintergarten angebaut.
Kuriose Ironie der Geschichte: Während dieses Vorzeigehaus der Brauerei zehn Jahre ungetrübt floriert, hat fast auf den Tag genau zehn Jahre nach dem Startsignal die „Mutter“ geschlossen, die Brauerei Haimhausen wurde nach über 400 Jahren zugesperrt. Zum Start in die nächste Dekade wird im Brauerei-Gasthaus Lohhof jetzt Weihenstephaner Bier aus Freising ausgeschenkt.
Als Monika und Marcus Haniel von Haimhausen 2010 die Schlossbrauerei im jahrzehntelangen Familienbesitz übernahmen, gehörte zur Strategie, eine der 15 Gaststätten der Brauerei im Großraum München zu einer zentralen Brauerei-Gaststätte auszubauen. Trotz zweier Wirtshäuser am Stammsitz Haimhausen und diverser in der Landeshauptstadt fiel die Wahl auf den Lohhofer Bahnwirt. „Hier war das größte Potenzial“, sagt Marcus Haniel.
Die Gaststätte gehört seit jeher der Brauerei Haimhausen. Daten zur Historie gibt es in den Akten der Brauerei nicht mehr. Ganz sicher ist das Wirtshaus erst nach dem Bau der Bahnlinie 1858 entstanden. Im Unterschleißheimer Stadtarchiv ist hinterlegt, dass der Gemeindeausschuss des Dorfes am 9. Juni 1897 dem Pächter Michael Groß „die Verleihung einer Wirtschaftsconzession mit Bahnrestauration und Fremdenbeherbergung für Lohhof befürwortet“ habe.
Das könnte der Beginn der Gaststätte gewesen sein, theoretisch aber auch nur ein Pächterwechsel und die vorherigen Gestattungen wären nicht erhalten. Jedenfalls zeigte sich der Gemeindeausschuss angetan und bestätigte amtlich, „daß die Lokalitäten zum Betrieb in jeder Beziehung sehr geeignet erscheinen und daß die erforderlichen Räumlichkeiten und Abort und Pissoir in entsprechender Weise vorhanden sind“.
Vor der Verlegung der Bundesstraße B13 aus dem Ort lag der Bahnwirt maximal zentral am Bahnhof Lohhof und an der Bahnschranke der vielbefahrenen Bundesstraße, nebenan war eine Tankstelle.
Für Generationen von Lohhofern war der Bahnwirt das zentrale, die längste Zeit auch das einzige Lokal im Ortsteil, hier fanden Hochzeiten, Leichentrunk und Geburtstagsfeiern statt. Der letzte Pächter vor dem Neustart war ein Grieche, der heute ein Lokal in Neufahrn führt.
Seinen Start als Wirt wollte Marcus Haniel behutsam angehen, sich allmählich einen Ruf als interessante Gaststätte erarbeiten. Alleine aber die Umwidmung zur gutbürgerlichen Küche sorgte für einen Andrang auf die Brauerei-Gaststätte, die den Wirt-Novizen einigermaßen überrollte. „Dem ersten Run waren wir gar nicht gewachsen“, erinnert er sich. Mit fünf Mitarbeitern hat die Brauerei-Gaststätte eröffnet – heute sind 31 beschäftigt, in der Küche alleine zehn.
Diese anfängliche Überforderung ohne Imageschaden für das neue Lokal schnell in den Griff bekommen zu haben, sieht Haniel heute noch als eine seine größten Leistungen im Gastronomieleben. „Ein Lokal zu führen, ist eine ganz andere Nummer, als ein Außenstehender sich das vorstellt“, betont er.
Das Ehepaar Haniel war ungeachtet der Familientradition Quereinsteiger. Dass die Führung der Brauerei im Familiengefüge 2008 auf Monika Haniel übergehen sollte, war nicht geplant gewesen. Das Ehepaar Haniel lebte und arbeitete zu der Zeit in Oberfranken. Marcus Haniel, studierter Betriebswirt, war Geschäftsführer eines Dienstleisters im Gesundheitswesen. Die Familie hat heute drei Kinder.
Trotz einer „ganz anderen Lebensplanung“, wie Haniel erzählt, habe man den Ruf der Familie nach Haimhausen angenommen. Dass der gebürtige Münchner damit zurück nach Oberbayern zog, war das eine; dass er seine gehobene Stellung aufgab, um Wirt zu werden, „das konnte damals niemand verstehen“, erinnert er sich. Bereut habe er den Schritt nie, betont er: „Jeder Weg hat seine Berechtigung.“
Als Betriebswirt brachte er jedenfalls eine völlig andere Sicht mit als vielleicht ein geübter Gastronom. Neben der Renovierung der Gaststube war daher sein erster Schritt, die 13 Fremdenzimmer im Haus mit Etagendusche, die zumeist an Saisonarbeiter vermietet waren, aufzuwerten. Schon zur Neueröffnung im März 2010 konnte die Brauerei-Gaststätte Lohhof auch Gastzimmer nach modernen Standards anbieten.
Der Gaststättenbestand der Brauerei wurde von 15 auf 12 konzentriert, alle nach und nach saniert und im Stil des Lohhofer Flaggschiffs in einheitlichem Design gestaltet, rustikal mit viel Holz und als Spezialität Tapetensprüche rund ums Bier. Monika Haniel (46) führte vorrangig die Brauerei, Marcus Haniel (47) die Gaststätte. 2013 holte er einen ehemaligen Kollegen, Wiegand Beinke, als Geschäftsführer nach Lohhof nach.
2013 wurde im ehemaligen Hinterhof des Bahnwirts ein Hotelneubau mit weiteren 24 modernen Zimmern eröffnet. Auf der Fläche zwischen Gasthaus und Hotel entstand ein Biergarten mit rund 100 Plätzen. Und Ende 2019 wurde als vorerst letztes Puzzleteile die etwas uninspirierte alte Terrasse an der Eingangsfront des Gasthauses durch den Wintergarten ersetzt; der gesamte Komplex ist klimatisiert, dazu können bei geeignetem Wetter die Glaselemente geöffnet werden.
Mit dem Bahnwirt hat sich in den zehn Jahren auch sein Umfeld radikal verändert. Die Tankstelle nebenan gibt es nicht mehr, gegenüber wurde die Fachoberschule hochgezogen, neue Gewerbegebäude schlossen sich an, Bahnhof und Straßenführung wurden umgestaltet. Größere Maßnahme an der Brauerei-Gaststätte neben den laufenden jährlichen Investitionen sind derzeit nicht geplant.
Ein Markenzeichen der Brauerei-Gaststätte Lohhof ist die große personelle Kontinuität. 15 Leute, rund die Hälfte der Belegschaft, arbeitet seit dem Start oder zumindest seit der nachträglichen Personalaufstockung in dem Haus.
Der Wermutstropfen für die Wirtsleute ist das Ende der Schlossbrauerei. Die über 400 Jahre alte Brautradition in Haimhausen wurde aus betriebswirtschaftlichen Gründen beendet; weiteres Brauen hätte Investitionen erfordert, die für die Betreiber nicht darstellbar waren. Die Brauerei wurde im Unterschied zu vielen Betrieben ihrer Größenordnung nicht an einen Großbrauer verkauft, sondern stillgelegt. Mittelfristig soll die Immobilie verwertet werden.
Den Schlossherren zu Haimhausen wurde 1608 von Herzog Maximilian das Braurecht verliehen, der übrigens das nahe Schleißheim als Sommersitz nutzte. 1892 kaufte James Eduard Haniel das Schlossgut mit Brauerei von Viktorine von Butler-Haimhausen. Als Großökonom wurde ihm ein Jahr später das Adelsprädikat verliehen, seither nennt sich die Familie Haniel von Haimhausen.
James E. Haniel war ein Spross der Unternehmerdynastie Haniel aus Duisburg. Mit einem Kohlehandel 1771 trat der Name erstmals in der Gewerbehistorie auf. Mit Kohlebergbau und Eisenproduktion wuchs Haniel zu einem der größten Konzerne des Landes. Die Franz Haniel & Cie. GmbH hält heute Anteile an über 800 Unternehmen und wies 2014 einen Umsatz von 3,9 Milliarden Euro aus.
James Edward Haniel – die Mutter war Engländerin – war von 1880 bis 1888 Aufsichtsratsvorsitzender der Hanielschen Gutehoffnungshütte. Nach zahlreichen Konflikten gab er den Posten ab und zog nach Haimhausen. Dort ließ er das Schloss renovieren und einen Park im englischen Stil anlegen. 1902 baute er für seine Ökonomie ein Elektrizitätswerk.
Das Erbe – Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Stromproduktion aus Wasserkraft und Brauerei – ist seither in die einzelnen Sparten aufgeteilt worden, aber stets in Familienbesitz geblieben. Innerhalb der Familienmitglieder gibt es intensive Kooperation. Einzig das Schloss selbst wurde über die Generationen verkauf, dort ist heute eine internationale Privatschule angesiedelt.