Jubiläum von Gaby Hohenberger im Kulturprogramm

Applaus mag das Brot des Künstlers sein; ganz sicher ist der Beifall des Publikums der größte Lohn für das Kulturprogramm in Oberschleißheim. Seit 20 Jahren wird dieses kommunale Angebot ehrenamtlich neben dem Vollzeitjob organisiert, über die private Telefonnummer. Vom Start weg hat Gaby Hohenberger diese Reihe aus dem Nichts aufgebaut, kreiert, mit Leben erfüllt, um neue Facetten bereichtert und jede einzelne Veranstaltung betreut und begleitet. Und wenn dann bei einem Klassikkonzert für Babys 50 Säuglinge zufrieden über den Fußboden krabbeln, während ein Orchester Mozart intoniert, wenn die Opernsängerin der Staatsoper im Seniorenpark populäre Operettenweisen schmettert, dass den alten Leuten die Tränen der Erinnerung kommen: „Das ist wirklich was für die Seele“, sagte die Kulturmanagerin, „das gibt einem so viel.“

Die kommunale Hoheitsaufgabe als Kulturveranstalter wurde in Oberschleißheim über Jahrzehnte den Vereinen überlassen. Während Eching oder Garching Bürgerhäuser mit Kulturprogrammen unterhielten, Unterschleißheim ein eigenes Kulturamt etablierte, umfasste der Kulturetat von Oberschleißheim 3000 D-Mark, mit denen zum Beispiel die Badersfelder Laienspieler unterstützt wurden und der Bürgermeister gelegentlich ein Gemälde fürs Rathaus kaufte.

Elisabeth Ziegler (SPD) hatte ihren Bürgermeisterwahlkampf 1996 daher dezidiert damit bestritten, ein Kulturangebot aufbauen zu wollen; ähnlich wie zwei Jahre zuvor bei außertourigen Wahlen auch schon die Kandidatin der Grünen – Gaby Hohenberger. Ziegler kam ins Amt und setzte ihre Vorgabe durch: Ende April 1998 konzertierte das Ensemble für Glasmusik und Flöte unter der Leitung von Sascha Reckert im Seniorenpark mit dem Frühlingskonzert „Sinfonia di vetro“ – die erste unter Regie des Rathauses organisierte Veranstaltung, der Start des Oberschleißheimer Kulturprogramms. „Es war eine äußerst schwere Geburt”, seufzte Ziegler später, die Initiative war parteipolitisch heftig umstritten, jeder Cent Defizit jedes Jahr aufs Neue ein kommunalpolitischer Zankapfel.

Einmal im Monat ein Angebot, „das auch mal fußläufig zu erreichen ist”, war Zieglers Definition des Oberschleißheimer Modells, danach die Möglichkeit, „bei einem Glaserl Wein darüber zu sprechen”, in der Summe einfach „ein Programm, mit dem Kultur in einem gewissen Rahmen ablaufen soll”. Gaby Hohenberger und Verena Huber setzten das um. Vorkenntnisse: null. „Wir haben einfach gesagt, wir machen das mal“, erinnert sich Hohenberger. Ihre eigene Disposition liege im Sternzeichen Widder: „Der braucht Abwechslung und bringt die nötige Power und Optimismus mit“; Hohenberger legt auch sehr gerne Tarotkarten und erstellt Horoskope.

Herbert Becke, damals Impressario der Volkshochschule im Münchner Norden, war mit seinem Garchinger „Kulturdonnerstag“ ein Vorbild und gab Hilfestellung für das unerfahrene Oberschleißheimer Kulturteam. „Die ganzen Feinheiten mit Verträgen, Steuern, Rechten, das hatten wir ja nicht gelernt“, betont Hohenberger. Mit Verena Huber, die 2002 ausstieg, hatte sie sich das Management geteilt. 2002 absolvierte Hohenberger eine berufsbegleitende Ausbildung zur Kulturmanagerin. Seither macht sie die „Intendanz“ alleine. Edith Popp, die 2002 bis 2011 mitarbeitete, und Margit Edlhuber, die seither dabei ist, betreuen die Abendkasse, die Abrechnung und diverse andere Tätigkeiten. Eine Aufwandsentschädigung erhalten die Damen von der Gemeinde.

Auch nach 20 Jahren ist Hohenberger mit Feuereifer und ungebrochenem Elan dabei. „Es ist ein tolles Gefühl, wenn man den Leuten was Gutes tun kann“, findet sie, und das sei über die Kultur sehr wirkungsvoll zu erreichen. Von 1991 bis 96 und jetzt wieder seit 2014 sitzt sie für die Grünen auch im Oberschleißheimer Gemeinderat, aber dort sei die Umsetzung hehrer Ziele ungleich mühseliger. „Kultur gibt einem mehr, weil man da unmittelbar positive Resonanz erfahrt“, sagt Hohenberger.

Ihre Programmgestaltung sollte „von Anfang an schon qualitativen Anspruch haben“. Im Lauf der Jahre ergab sich als Aufgabenstellung „der Spagat zwischen den populären Sachen und der Einführung von Neuem“. Hohenberger gibt immer wieder unbekannten Talenten aus der Region ihren Auftritt, insbesondere in der klassischen Musik. Dazu wurden eigene Reihen initiiert wie etwa die Matinée im Schloss oder die Soirée im Café am Huppwald; da dieses die Cafeteria des Oberschleißheimer Seniorenparks war, war dies auch ein Ansatz, Kultur zu alten Menschen ins Heim zu bringen. Bei vielen Veranstaltungen gehen auch immer ein paar Karten an die „Oberschleißheimer Tafel“. Kulturvermittlung für jedermann.

Unter den völlig unbekannten Künstlern, denen sie eine Bühne gab, war beispielsweise eine Martina Schwarzmann, die Hohenberger zusammen mit acht anderen bei einem Auftritt sah, aber so angetan war, dass sie sie für Oberschleißheim buchte. Völlig unbekannt außerhalb Frankens war auch Urban Priol, der bei seinem Auftritt 2002 schlappe 100 Leute in den Bürgersaal lockte; ein paar Wochen später hatte er übrigens seinen Durchbruch mit einem TV-Auftritt zum Bundestagswahlkampf und da wurde Hohenberger dann schon mal angesprochen, dass das doch ein Guter für das Kulturprogramm wäre, ob sie denn nicht mal holen könne…

Sie hatte in den 20 Jahren alle, die ganz großen Namen der Kleinkunst: Gerhard Polt und Dieter Hildebrandt, Bruno Jonas und Helmut Schleich, Django Asül, bei ihr musizierten die Bananafishbones und Klaus Lage, die Biermösl Blosn, Georg Ringsgwandl, Sissi Perlinger war da, Jörg Hube oder der Nemec hinter’m Batic. Für die ganz großen Nummern ist seit Neuestem der letzte Volksfestabend reserviert, so dass sie vor über 1000 Besuchern im Festzelt spielen können. Mit fast allen gab’s nach dem Auftritt auch noch einen Absacker und so kann Hohenberger zum Jubiläum mit ihren Anekdoten ohnePunktundKommaundLuftholen schon selbst ein abendfüllendes Programm bestreiten.

Von dem aus Funk und Fernsehen bekannten Groß-Comedian, der in Oberschleißheim in der Pause regelrecht zusammenbrach, weil er so sei schlecht sei, dass er sich nicht wieder raus traue; „mit Engelszungen musst ich auf den einreden, dass der weitergemacht hat!“ Von der Band, die in der Pause -zig Flaschen Wein in der Garderobe wollte – „aber die waren nach der Pause auch besser…“ Oder von dem griabign Kabarettisten, der vor dem Auftritt sechs Halbe Weißbier weggekippt hat. „Der war danach noch nüchtern!“

Von den Figuren, die die Showgrößen auf der Bühne abgeben, hat sie daher ein recht differenziertes Bild gewinnen können. „Bei manchen zählt nur die blanke Kohle“, sagt sie, Verhandlungen mit anderen hingegen seien ein Spaziergang. Georg Schramm etwa sei „ein Idealist“, schwärmt sie. Auf dem Höhepunkt seiner Popularität hat er nur drei Auftritte in Bayern gemacht, einer war in Oberschleißheim. „Ich hatte schon lang angefragt und er hat zugesagt“, erzählt Hohenberger, „der war da nicht so, dass er dann lang rHohenbergerumgetan hätte, wo er noch mehr kassieren kann“. Für sie war der Auftritt dann freilich mit der größte Stress in den 20 Jahren; aus ganz Deutschland kamen – aufs Privattelefon – Anfragen und Kartenwünsche.

Stress und Pannen bei der Technik sind unzählbar; das Klaus-Lage-Konzert etwa war unplugged. Und nicht, weil es geplant gewesen wäre… Ein Sänger einer anderen Band erlitt auf der Bühne eine Gallenkolik. Oder: Ein Anruf vom Flughafen Istanbul, dass der Flug von Django Asül nach München storniert sei – mittags vor dem ausverkauften Auftritt am Abend. Mit einer Ladung Süßigkeiten hat das Kulturteam dann bei den umsonst angereisten Besuchern „den Frust abgefangen”, und einen Ersatztermin konnten sie auch schon anbieten, am Nachmittag noch per Telefon mit Istanbul ausgehandelt.

Persönlicher Einsatz ist immer mit inbegriffen. Bei einer der ersten originellen Ideen des Kulturprogramms, einer Disco im Oberschleißheimer Hallenbad, wurde zwar Bier verkauft, aber kein Essen. So waren Besucher ziemlich angeheitert, auch 16jährige. Hohenberger fuhr sie selber im Privatauto heim.

Die 58jährige zweifache Mutter stammt aus dem Westerwald, Nähe Koblenz. Nach München zog sie als junges Mädchen einzig der Begeisterung für die Stadt wegen. Sie absolvierte eine Ausbildung zur biologisch-technischen Assistentin und ein Politikstudium. Seit 1979 arbeitet sie an der Behörde, die nach mehreren Umfirmierungen heute Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit heißt, und als die 1981 nach Oberschleißheim zog, zog sie mit.

Das Kulturprogramm ist längst unumstritten. „Es hat uns 20 Jahre beste Unterhaltung und vielfältige Inspiration geschenkt“, gratulierte Bürgermeister Christian Kuchlbauer zum Jubiläum. xx.000 Euro stehen jährlich dafür im Gemeindeetat. Immer noch nervt Hohenberger die wechselnden Gemeindekämmerer, weil sie ihre Bilanzen strikt so aufzieht, dass nur Gagen und Einnahmen gegeneinander aufgerechnet werden, aber Nebenkosten wie Technik oder Werbung ohnehin von der Gemeinde gesponsert sind. „Rechnen kann sich das eh nie“, ist ihr Credo, „aber dafür sind Steuern gut angelegt.“

Die größte Veränderung in den zwei Jahrzehnten nimmt sie übrigens im Marketing wahr. Zu Beginn habe sie zu jeder Veranstaltung ein Fax an die Tages- und Wochenzeitungen geschickt; heute muss das Kulturprogramm auf diversen Kanälen permanent präsent sein. Auch der Markt sei ungleich größer geworden, es gebe viel mehr Veranstaltungen im Umkreis als noch vor 20 Jahren. „Man muss die Leute heute viel mehr aktivieren“, ist ihre Erfahrung, „mehr Arbeit ist es auf jeden Fall geworden“.

Die Gemeinde Oberschleißheim feiert „20 Jahre Kulturprogramm“ mit einer Ausstellung vom 14. bis 22. April im Bürgerzentrum.