125. Jubiläum der „Birkenstoana“

Spätestens seit der „Heiligen Nacht“ von Ludwig Thoma wissen wir ja, dass der Herrgott in einer Krippe in den bayerischen Bergen zur Welt gekommen ist und folglich war der Josef auf der Herbergssuche auch in Haferlschuhen unterwegs und die Hirten haben ihre Schafe in der Krachledernen gehütet. Zur Umsetzung der Weihnachtsgeschichte in ein Krippenspiel ist ein Trachtenverein also prädestiniert. „Ein Trachtenverein bedeutet Brauchtumspflege“, sagt Walter Heckner, der 2010 als Vorsitzender des „Birkenstoana Stamms“ die Initiative zur „Lebenden Krippe“ im Schleißheimer Schlossensemble startete. Seither ist die opulente Aufführung zum Publikumsmagnet geworden, zuletzt im Programm des „Schleißheimer Advents“. Bei der achten Auflage heuer, im großen Jubiläumsjahr der Birkenstoana, gibt es dabei eine komplett überarbeitete neue Fassung.

 

Heckner ist ein Liebhaber von Weihnachtskripperl, die er selbst auch leidenschaftlich bastelt. Beim Besuch einiger „Lebender Krippen“ im Oberland fand er dann, dass dies der eigene Verein mindestens so gut inszenieren könne – „und wir hätten das schönere Panorama“. Das Alte Schloss bietet mit seinem Rundbogen im Treppenvorbau „genau die Kulisse, die man für eine Krippe braucht“, urteilte Krippenexperte Heckner. Am dritten Adventssonntag 2010 zogen Maria und Josef dann zum ersten Mal in Tracht auf Herbergssuche durch das Gartenparterre, landeten dann bei Ochs und Esel in der Krippe, während rund ums Schloss die Hirten ihre Schafe hüteten.

 

Auch eine Attraktion, findet Heckner: „In meiner Kindheit hab ich in Schleißheim noch Ochsen und Pferde gesehen, aber ein Kind sieht heute hier ja keine Viecher mehr“. Die Schafe dürfen gestreichelt werden, den Ochsen kann man zumindest aus der Nähe bestaunen. Im zweiten Jahr zogen die drei Könige aus dem Morgenland dann sogar mit einem Kamel ein, das die Birkenstoana bei einem Kamelhof in Valley auftaten, in den letzten Jahren waren zwei Kamele am Set. Kamele und Ochse sind als einzige bei der Krippe Profidarsteller; der Ochse stammt von einem Hof, der die Tiere für Film- und Fernsehauftritte hält und verleiht.Die Schafe sind fast zuhause, sie stammen von der Schafzucht Hoyler im nahen Hochmutting.

 

Bei der Premiere funktionierte sogar das Wetter wie bestellt: Heckner sprach den Prologg und mit dem Einzug von Maria (Isabel Fresno-Vazquez) und Josef (Markus Anwander) begann es zu schneien. Mit vielleicht hundert Besuchern hatte der Verein damals gerechnet, es kamen über 400. Seit 2012 führt Antonia Kellner bei einer eigenen Schleißheimer Fassung Regie. Heuer wird die „Krippe“ nun komplett erneuert. Das liegt nicht nur dran, dass der turnusmäßige Verkündigungsengel, Karin Pollerer, Mutter geworden ist und ersetzt werden muss; heuer gibt es ein neues Bühnenbild vor Schlosskulisse und die ganze Geschichte wird erzählt vom Josef. Eine Bläsergruppe um Roland Leibhard begleitet die Krippe seit der ersten Aufführung, später kamen noch weitere Sänger und Musikgruppen dazu, die im zweijährigen Turnus gewechselt werden.
„Es ist schon immer ganz schön viel Arbeit“, schildert Heckner, Dutzende aus dem Verein helfen in der Vorbereitung und hinter den Kulissen mit oder stehen auf der Bühne. Aber wenn’s dann wieder zwei prachtvolle Aufführungen wurden, „sind alle angetan“, weiß der damalige Initiator: „Es ist eine schöne Darstellung, was man mit Brauchtum machen kann“.

 

125 Jahre Brauchtumspflege
Der Brauchtumspflege, der Erhaltung der Tracht und der bodenständigen Volkstänze sind die Birkenstoana seit 125 Jahren verschrieben, heuer im Frühjahr wurde das Jubiläum mit rund 1000 Gästen im Oberschleißheimer Bürgerzentrum groß gefeiert. 1892 war der Verein von zugezogenen Gebirglern in der Großstadt München gegründet, die aus schierer Not auf Arbeitssuche ihre Heimat hatten verlassen müssen. Der Verein versammelte die emotionale Sehnsucht nach der alten Heimat einerseits und die praktische gegenseitige Unterstützung bei Not und Krankheit andererseits. So gehörte zu den ersten schriftlich fixierten Vereinszielen, „200 Mark zur Unterstützung kranker Mitglieder zu deponieren und daß bei einem etwaigen Todesfall eines Mitgliedes der Verein in Corpore mit Musik vertretten ist“.

Nach einem Wallfahrtskirchlein bei Fischbachau wurde der Trachtenverein benannt. Erstes Vereinslokal war der Gabelsberger Keller in München. Obwohl 1901 sogar beschlossen wurde, „die Weiber als Mitglied” aufzunehmen, kam das Vereinsgeschehen immer mehr zum Erliegen. Erst eine Verbindung mit den Isarwinklern brachte das Vereinsleben nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in Schwung.

Eine große Zäsur in der Vereinsgeschichte kam 1982, kurz nach dem 90. Jubiläum, mit dem Umzug nach Oberschleißheim. Wie Josef und Maria im Krippenspiel war der Verein auf Herbergssuche, weil die Birkenstoana in München kein geeignetes Lokal mehr fanden, das auch einen Holzboden zum Schuhplattln gehabt hätte. Und in Oberschleißheim wurde parallel gerade das Bürgerzentrum gebaut und der damalige Bürgermeister Hermann Schmid hätte dort auch gerne Tracht und Brauchtumspflege repräsentiert gesehen. 1992 wurde das 100. Jubiläum mit Heimatabend, Gottesdienst und einem Umzug von 71 Vereinen und neun Blaskapellen in Oberschleißheim gefeiert.

Die Birkenstoana tragen die alte Miesbacher Tracht mit der Besonderheit der grünen Buamajoppen. Bei ihren Vereinsabenden im Bürgerzentrum werden Volkstänze oder auch Schuhplattler geübt und getanzt. Unter anderem der Bandltanz wie bei der Premiere 1899, wo im Protokollbuch des Vereins vermerkt ist, dass „das erstemal der Bandeltanz aufgeführt wurde, der aber noch der Vollkommenheit entbehrte“. Bei der Bauernredoute aber habe „die Musik sehr gut gespielt und konnten daher ein paar wunderschön, exakte Schuhplattler geschlagen werden“.

Ein erstes Fahnenband war 1892 von vier Schuhplattlerinnen der Birkenstoaner Gmoa gestiftet worden, die Fahnenweihe war am 26. Juni 1898. Zum 115. Jubiläum 2007 wurde dann eine neue Fahne geweiht. Sie zeigt wiederum das Birkenstoana Kirchlein als Hauptmotiv. Auf der Rückseite hatte die alte Fahne zwei Wappen, die vom Verein trotz intensiver Recherche nicht zu ergründen waren. Auf dem neuen Exemplar prangen stattdessen nun die amtlichen Wappen von Fischbachau – und eben der neuen Heimat Oberschleißheim.